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   Die Entstehung der Buddha-Abbildung

Mehrere Ausstellungen von Buddha-Statuen haben die viel diskutierte Frage neu aufgeworfen, ob die heutige Buddha-Form aus dem ursprünglichen indischen Buddhismus stammt oder eine Abbildung des griechischen Gottes Apollo ist.


These: „Die Buddha-Form ist eine Apollo-Abbildung“ in der Hamburger Ausstellung „Kunst an der Seidenstraße“

Zur im Sommer 2003 in Hamburg gezeigten Ausstellung „Kunst an der Seidenstraße“ schreibt Matthias Gretzschel in seinem Artikel „Auf der Seidenstrasse kam Apollo zu Buddha“ zur Kunst der Gandhara-Region: „Die Reliefs und Skulpturen, mit denen Hunderte von Klöstern geschmückt wurden, zeigen Buddha-Figuren, die nach dem Vorbild des griechischen Gottes Apollo gestaltet wurden.“ In der Ausstellung selbst wurde dazu ein Kopf des griechischen Gottes Apollo gezeigt. An der Vollkommenheit und den Zügen Apollos, des „Sohns des Lichtes“ und Gottes der Wissenschaft und Künste, soll sich die Erscheinung Buddhas orientiert haben.

Im zugehörigen Katalog steht nach einem Abschnitt über den Eroberungszug Alexanders des Großen: „Das Erbe Alexanders hätte sich während des halben Jahrtausends zwischen seinem Tod und der Entstehung der buddhistischen Kunst nicht als eine befruchtende Kraft erweisen können, wenn der Hellenismus nicht über diese lange Zeitspanne hinweg in dem von ihm eroberten Ländern zwischen Euphrat, Tigris und Indus die Architektur, die Skulptur und das Kunsthandwerk beeinflusst hätte …“ und an einer anderen Stelle: „Fast 600 Jahre lang gab es nach Buddhas Tod keine bildhaften Darstellungen des „Erleuchteten“, man verehrte ihn lediglich in Symbolen, ihm zugeordnete Gestalten kamen erst mit der Entwicklung des Mahayana-Buddhismus auf.“ Die Entstehung der buddhistischen Kunst soll also rund 100 Jahre nach unserer Zeitenwende stattgefunden haben.


Buddha-Bildnisse zu Lebzeiten des historischen Buddha

Dem gegenüber gibt es Quellen, die die ersten Abbilder und Statuen Buddhas schon mit seinem Leben in Verbindung bringen. So sandte Buddha der ernsthaften Bitte einer singhalesischen Prinzessin folgend ihr sein eigenes, auf Stoff gemaltes Bild. Einige Geschichten und Legenden über die bereits zu Buddhas Zeit angefertigten Statuen wurden vom Autor bereits im Katalog zur Statuenausstellung „Raum & Freude“ unter der Überschrift „Geschichte verschiedener Stile“ dargestellt.

Eine weitere Geschichte beschreibt dieses Thema wie folgt: Als Buddha in den weit entfernten Trayatrimsha-Himmel der 33 Götter gereist war, um seiner dort wiedergeborenen Mutter befreiende Belehrungen zu geben, fertigte der König Udayana des damaligen Königreichs Kaushambi eine Nachbildung Buddhas aus Sandelholz an, um ihm seine Ehrerbietung zu erweisen. Als der Buddha zurückkehrte, zeigte ihm der König die Statue. Diese Geschichte wird im heutigen Museum von Peshawar/Pakistan, der ehemaligen Hauptstadt von Gandhara, durch ein Steinrelief illustriert (siehe Abbildung). Auf dem Bild steht der König Udayana vom Betrachter aus links vom Buddha und zeigt ihm die Statue, die den Buddha in Meditationshaltung darstellt.

Der Buddha erlaubte damals nicht, dass die Statue verehrt wurde. Diese Tatsache stützt nach Ansicht vieler Kunsthistoriker die Theorie, dass es bis zur Gandhara-Epoche keine Darstellungen Buddhas gab und sie dort erstmalig angefertigt wurden. Als aber ab dem Ende des 4. Jh. n. Chr. die chinesischen Pilger Fa-hsien, Yuan-chuang und andere nach Indien kamen, fanden sie heraus, dass dieselbe Statue noch immer im Jetavana-Kloster von Shravasti verehrt wurde. Nach Fa-hsien stammte die Statue von dem König Prasenajit von Kosala, der damals ein Schüler des historischen Buddha war. Fa-hsien schildert im 20. Kapitel seines Reiseberichts mit dem Titel „Ein Bericht über die buddhistischen Königreiche“ (engl. A Record of Buddhistic Kingdoms, übersetzt von James Legge, 1886), was er über die erste buddhistische Statue herausfand:

„Buddha ging hoch in die Trayatrimsha-Götterbereiche und lehrte den Dharma zum Nutzen seiner Mutter. (Nachdem er 90 Tage abwesend war,) veranlasste König Prasenajit, der sich danach sehnte, ihn wieder zu sehen, dass ein Bildnis aus Sandelholz von ihm geschnitzt und an den Platz gestellt wurde, wo er gewöhnlich saß. Als Buddha bei seiner Rückkehr das Kloster betrat, sagte er zu der Statue (die zu seiner Begrüßung auf ihn zugegangen war, Anm. des Übersetzers): „Gehe an deinen Sitz zurück. Nachdem ich ins Parinirvana eingegangen bin, wirst Du als Muster für die vier Klassen meiner Schüler dienen.“ Daraufhin kehrte die Statue auf ihren Platz zurück. Dies war das erste von allen Buddha-Bildnissen, dasjenige, das die Leute in der folgenden Zeit kopiert haben.“

Nach diesem Bericht erlaubte der Buddha damals nur nicht die Verehrung der Statue zu seinen Lebzeiten, gab aber bereits die Anweisung, dass sie nach seinem Tod als Muster für alle weiteren Buddha-Bildnisse dienen sollte. Dafür spricht auch, dass Buddha bei einer anderen Gelegenheit erlaubte, dass der König Bimbisara ein Bild von ihm anfertigen ließ. Dieses Bild wurde in das so genannte Lebensrad eingefügt, welches die zentralen Lehren Buddhas ausdrückt, und als außergewöhnliches Ge­schenk an einen Nachbarkönig gegeben. Buddha bestätigte dabei ausdrücklich die sehr nutzbringende Wirkung dieses Bildes.


Die weitere Entwicklung der Statuenkunst

In seinem umfassenden Werk „Die Geschichte des Buddhismus in Indien“ widmet der Historiker Taranatha (geb. 1575) der Geschichte der Herstellung von Buddha-Bildnissen ein ganzes Kapitel. Er beschreibt, wie nach dem Text Vinaya-vastu die von den Künstlern in den ersten hundert Jahren nach dem Tod des Buddha hergestellten Statuen und Bilder die Illusion vermittelten, dass es sich um die wirklichen Objekte handele, die durch sie dargestellt wurden. Kurze Zeit später wurden acht hervorragende Bildnisse in Magadha angefertigt, unter denen die Buddhastatue im Mahabodhi-Temple von Bodhgaya und eine Statue des Weisheitsbuddha Manjushri besonders erwähnt werden. Auch die Geschichte der Statue von Bodhgaya, heute die älteste Buddhastatue der Welt, wird im Ausstellungskatalog „Raum & Freude“ ausführlich geschildert.

Nach Taranatha ließ König Ashoka, der von 272 bis 232 v. Chr. in der Maurya-Epoche regierte, nach seiner Öffnung für den Buddhismus viele Tempel und Stupas bauen. Er fertigte Buddha-Bildnisse an und verehrte sie, um riesige Mengen an guten Eindrücken anzusammeln. Er wollte dadurch seine früheren negativen Handlungen reinigen. Auch der vom Buddha vorhergesagte Meister Nagarjuna errichtete viele buddhistische Zentren mit Buddha-Darstellungen, speziell mit Schützer-Statuen, in Indien und Nepal.

In der auf die Maurya-Zeit folgenden Sunga/Andhra-Epoche (2.-1. Jh. v. Chr.) gab es ebenfalls eine reiche Entfaltung buddhistischer Bildhauer- und Malerei, besonders im Westen des indischen Subkontinents. Beispiele findet man in den Felsentempeln von Bhaja (Mitte des 2. Jh. v. Chr.) und Karle (Ende des 1. Jh. v. Chr.), beide in Maharashtra, ebenso in Udhayagiri-Khandhagiri im östlichen Orissa. Zu jener Zeit waren die Hauptmotive die früheren Leben des Buddha, wie sie in den Jataka-Geschichten dargestellt sind.

Im Süden Indiens erblühte unter der Herrschaft der Satavahana-Könige die vollkommen eigenständige Kunstschule von Amaravati im heutigen Andhra Pradesh (2. Jh. v. Chr. – 3. Jh. n. Chr.). Wunderschöne Stupas mit Buddha-Statuen wurden in Amaravati, Jagayyapeta und Nagarjunakonda gebaut. Die Statuen ähneln sich, unterscheiden sich aber gleichzeitig stilistisch stark von denen Nord-Indiens. Sie sind wesentlich dünner und zeigen oft ungewöhnliche Posen. Hier wie auch an anderen Stellen findet man sehr oft, dass der Buddha nur durch ein Symbol dargestellt wird, was viele Kunsthistoriker zu der Sichtweise veranlasst hat, dass der historische Buddha in der Anfangszeit des Buddhismus überhaupt nicht in menschlicher Form dargestellt wurde. Aber gerade die Tatsache, dass man hier beide Variationen findet, belegt, dass diese Theorie falsch ist.


Gandhara und seine wechselvolle Geschichte

Taranatha stellt fest, dass es an jedem Ort, wo die Lehre Buddhas blühte, auch viele geschickte Hersteller von Buddha-Bildnissen gab. Gandhara erlebte mehrere buddhistische Perioden vor der eigentlichen „Gandhara-Epoche“ (1. – 3. Jh. n. Chr.). Daraus lässt sich schließen, dass es dort auch schon zu sehr früher Zeit buddhistische Kunst gegeben hat. Zum Gebiet von Gandhara gehörten Peshawar, Taxila und seine Nachbar-Distrikte Swat und Pamir im Nordwesten Pakistans. Diese Gegend lag strategisch günstig und wurde damit zum Treffpunkt unterschiedlicher Kulturen.

Über mehrere Jahrhunderte war Gandhara eine der sieben Provinzen von Persien, bis es im Jahr 326 v. Chr. von Alexander dem Großen erobert wurde. Bereits nach nur 20 Jahren griechischer Herrschaft übernahm Chandragupta, der Gründer der Maurya-Dynastie, das Gebiet durch eine politische Heirat im Austausch gegen 500 Elefanten. Sein Enkel war Kaiser Ashoka, der in Pataliputra (heute Patna) residierte. Dieser sandte im Jahre 256 v. Chr. den buddhistischen Meister Madhyantika nach Gandhara und brachte so den Einwohnern dieses Gebietes die Verbindung zum Buddhismus. Die Felsen-Edikte Ashokas in Shahbaz Garha, im Mardan Distrikt, sind heute noch sichtbar.

Nach Ashokas Tod begann die Auflösung des Maurya-Reiches. Gandhara erlangte zunächst seine Unabhängigkeit, wurde einige Jahrzehnte später jedoch von den Nachfolgern Alexanders des Großen, den baktrischen Griechen unter Demetrius, erobert. Ihre Herrschaft dauerte ungefähr 200 Jahre. Anhand der gefundenen Münzen lassen sich die Namen von 39 Königen und drei Königinnen dieses Zeitabschnitts identifizieren. Der wichtigste unter den griechischen Königen war Menander. Er führte seine Truppen von Gandhara nach Pataliputra und eroberte die Hauptstadt der inzwischen dort herrschenden Sunga-Dynastie. Kurz darauf traf er den buddhistischen Mönch Nagasena und wurde selbst Buddhist. Seine Fragen an Nagasena und die Antworten dazu sind unter dem Titel „Die Fragen des Königs Melinda“ (Melindapanha, ed. V. Trenckner, RAS, London, 1928) in die Weltliteratur eingegangen.

Nach den Griechen übernahmen für kurze Zeit die Skythier und Parthier die Herrschaft über Gandhara.


Die Kushana-Dynastie und die Mathura-Kunst

Die Kushaner, oder Guishang, ein Zweig des Yüchi-Volkes, wie sie früher hießen, waren Nachfahren von Nomaden aus verschiedenen Teilen Zentral-Asiens. Sie siedelten im zweiten vorchristlichen Jahrhundert in der Gegend des heutigen Nord-Indiens, in der Gandhara Region von Pakistan und in Ost-Afghanistan. Die Region wurde allerdings erst ab dem ersten Jahrhundert n. Chr. unter einem Herrscher vereint. Deren wichtigster König, Kanishka, regierte Ende des ersten Jahrhunderts n. Chr. und brachte Kunst und Kultur von Gandhara zu ihrer vollen Blüte. Er war sehr offen für den Buddhismus, und zu seiner Zeit erschienen die ersten Buddha-Abbildungen auf Münzen. Nach Taranatha berief Kanishka auch eine große Versammlung buddhistischer Praktizierender verschiedener Schulen ein, das dritte, bzw. vierte buddhistische Konzil (je nach Zählweise), um fehlerhafte Interpretationen der Lehren Buddhas zu korrigieren.

Das Kushana-Reich hatte zwei künstlerische Zentren, jedes mit einem unterschiedlichen Stil: Ein nördliches in der Gandhara Region mit zunächst Peshawar und später Taxila als Zentrum und ein südliches in Mathura, im Süden des heutigen Neu Delhi (Uttar Pradesh). Die Kunst der Gandhara-Region zeigt den starken Einfluss der griechischen und römischen Bildhauerei, teilweise zurückgehend auf die Eroberungen Alexanders des Großen, aber auch auf die starken Diplomatie- und Handels-Beziehungen mit Rom. Ihre Figuren tragen Toga-ähnliche Kleider, haben wellenartiges Haar und gerade römische Nasen. Die Skulpturen sind normalerweise aus dunkelgrauem Schiefer, Stuck oder Terrakotta.

Im Unterschied dazu entwickelte sich die Kunst der südlichen Mathura Region aus den einheimischen indischen Traditionen, welche rundliche Körperformen betont. Ihre fülligen Skulpturen tragen minimale Kleider und sind gewöhnlich aus rotem, gesprenkeltem Sandstein gemeißelt.  Später entwickelte sich dieser Stil weiter in die vollendeten Formen der Gupta-Periode (4. – 6. Jh. n. Chr.).

Schon 1926 schrieb der indische Kunsthistoriker Ananda Coomaraswamy einen später berühmt gewordenen Artikel „Der Indische Ursprung des Buddha-Bildnisses“, veröffentlicht im Journal of the American Oriental Society 46: S. 165-70, in dem er nachwies, dass die ersten Buddha-Darstellungen in Mathura wenigstens gleichzeitig, wenn nicht vor denen der Gandhara-Schule entstanden. In ausführlicher Form kann man dies in seinem Buch „The Origin of the Buddha Image“, Munshiram Manoharlal Publishers Ltd, Delhi 2001, nachlesen. Ein Indiz dafür ist, dass frühe Mathura-Buddhas in Gandhara gefunden wurden, während der Einfluss von Gandhara auf Mathura erst spät erfolgte. Daher müssen die früheren Buddha-Bildnisse die von Mathura gewesen sein.


Schlussfolgerung

Obwohl die Technik der Statuenherstellung in Gandhara von den Griechen übernommen wurde, war die Kunst von ihrem Geist her grundlegend indisch. Es wurde keine einzige griechische Geschichte oder Legende dargestellt und es gab auch niemals griechische oder römische Vorbilder für eine Person, die im Meditationssitz mit untergeschlagenen Beinen saß. Der Gott Apollo hatte ganz sicher auch nicht die 32 Hauptmerkmale und 80 Nebenmerkmale eines Buddha, wie sie bei den Darstellungen der Gandhara-Epoche zu sehen sind. Die indische Ikonographie und die psychologische Qualität der Statuen sind vollkommen unterschiedlich zu typischen griechischen Standbildern. Letztere waren nach außen gerichtet, naturalistisch, zeigten eine ideale Erscheinungsform. Die Gandhara-Skulpturen dienten in erster Linie dem Erlangen einer inneren Erfahrung jenseits der gewöhnlichen Welt.

Daher kann man sicher nicht folgern, dass die Erscheinung Buddhas nach dem Vorbild des griechischen Gottes Apollo gestaltet wurde. Vielmehr gab es einen ausgeprägten Einfluss griechischer und römischer Kultur auf die Kunst des Buddhismus. Prof. P. Friedlander von der LaTrobe University, Melbourne, vertritt in einer im Internet veröffentlichten Vorlesung über buddhistische Kunst die Ansicht, dass die Entdeckung der Gandhara-Bildnisse im 19. Jahrhundert die westlichen Gelehrten, die damals griechische Kunst als Ursprung für jede Kunst ansahen, dazu veranlasste, vorzuschlagen, dass das Buddha-Bildnis das Ergebnis griechischen Einflusses sei. Da andere Quellen in der Öffentlichkeit kaum zur Kenntnis genommen wurden, hat sich diese Sicht bis heute weitgehend erhalten.

Die Entstehung der buddhistischen Kunst fand jedoch nicht erst in der Gandhara-Epoche statt, sondern die menschliche Gestaltgebung Buddhas setzte sich gleichzeitig mit der Verbreitung des Mahayana-Buddhismus durch. Ein weiterer Faktor ist die Ansicht der meisten Historiker, nach der Buddhas Ursprung aus dem Shakya-Klan indo-europäisch ist. Einige der Hauptmerkmale eines Buddha, wie sein athletischer Körperbau und die blauen, manchmal auch blau-schwarzen Augen, weisen darauf hin. Auch von daher gibt es eine gewisse Berechtigung für diesen kraftvollen, kulturellen Einfluss aus Europa auf alle anderen Stile der buddhistischen Kunst in Asien.

von Manfred Seegers


Nach Abschluss eines 5-jährigen Studiums authorisierter buddhistischer Lehrer.

Studierte und lehrte von 1990 – 2000 am KIBI in Neu-Delhi. Er hält Vorträge und Seminare im In- und Ausland.

kontakt: mseegers@aol.com


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